Brasilien: Kann sich ein Museum neu erfinden?

Reportage über den Wiederaufbau des Nationalmuseums in Rio de Janeiro.

Deutschlandfunk Kultur: Die Reportage. 19. Mai 2024

Am 02. September 2018 entfacht ein Kurzschluss im brasilianischen Nationalmuseum in Rio de Janeiro einen Großbrand. Innerhalb kürzester Zeit steht das berühmteste Nationalmuseum Lateinamerikas vollständig in Flammen. Ein Großteil der 20 Millionen Artefakte geht unwiderruflich verloren: die Mumie einer altägyptischen Priesterin, eine 110 Millionen Jahre alte versteinerte Schildkröte, die ältesten bekannten menschlichen Überreste Lateinamerikas.

Es ist der Notre-Dame-Moment Brasiliens. Oder vielleicht auch schlimmer als das: Ein Gebäude lässt sich schließlich wiederaufbauen, anders das kollektive Gedächtnis eines Landes.

Was an diesem Abend ebenfalls zerstört wird, sind die umfangreichen ethnologischen Sammlungen, die der renommierte brasilianische Anthropologe João Pacheco de Oliveira seit 40 Jahren betreut. Masken, Vasen, Waffen, Mörser und kunstvoll gefiederte Zeremonienumhänge. Artefakte aus mehreren Jahrhunderten und von mindestens 130 der gut 250 indigenen Völkern Brasiliens. Ein beeindruckender Teil der indigenen Kulturgeschichte des Landes.

João Pacheco steht eigentlich kurz vor dem Ruhestand. Nun ist sein Lebenswerk vollständig zerstört. Die Asche ist noch nicht ganz abgekühlt, da erhält er eine Nachricht von Glicéria Tupinambá, einer indigenen Künstlerin, mit der er seit einigen Jahren zusammenarbeitet.

„Bei uns im Regenwald“, schreibt Glicéria, „gibt es immer wieder Brände. Die Flammen zerstören alles. Aber der Wald ersteht auf.“

„Wieso kann nicht auch ein Museum auferstehen?“, fragt sich João.

Gemeinsam mit indigenen Communities im ganzen Land wagt er einen radikalen Neuanfang. Er will ein neues Museum erschaffen, eines, das indigene Perspektiven in den Mittelpunkt stellt. Ein lebendiges Museum, das keine Relikte der Vergangenheit zeigt, sondern die Gegenwart der indigenen Gemeinschaften Brasiliens abbildet. Ein Museum, in dem die Indigenen selbst entscheiden, was über sie erzählt wird. Ein Ort des Respekts und des gegenseitigen Austauschs.

Kann das gelingen?