Mai 2022. Bundeskanzler Olaf Scholz ist auf Staatsbesuch im Senegal. Am Flughafen von Dakar ist ein roter Teppich ausgelegt. Präsidenten Macky Sall begrüßt den Kanzler mit einem freundschaftlichen Schulterklopfen. Später lassen sich die beiden in demonstrativer Einigkeit in einem Solarpark ablichten. Am Abend dann tritt Scholz bei einer gemeinsamen Pressekonferenz vor die Kameras. Es geht um die Zusammenarbeit der beiden Länder, um geopolitische Fragen. Und da sagt Scholz diesen sehr Scholz-typischen Satz:
“Wir wollen natürlich insbesondere mit Senegal nicht nur über die Frage der künftigen Erzeugung von Energie aus erneuerbaren Quellen zusammenarbeiten, (…) sondern wir wollen das eben auch im Hinblick auf die LNG-Fragestellung und die Gasförderung hier im Senegal tun.” (Olaf Scholz)
Damals, im Mai 2022, ist der russische Angriff auf die Ukraine gerade einmal zwei Monate her. Deutschland und Europa suchen händeringend nach Alternativen zu russischem Erdgas. Die Angst ist groß vor abgeschalteten Fabriken und kalten Heizungen im Winter. Trotzdem hat es dieser Satz in sich: Denn Deutschland hatte sich wenige Monate zuvor auf internationaler Bühne dazu bekannt nicht mehr in fossile Infrastrukturen zu investieren. Bricht Scholz hier seine eigenen internationalen Verpflichtungen?
Ein Nachmittag in Saint-Louis, einer Küstenstadt im Norden Senegals. Die Sonne steht hoch am Himmel, es ist heiß. Auf der Langue de Barbarie, einer vorgelagerten Landzunge, liegen unzählige bunt bemalte Pirogen. Ein Farbenmeer. Am Horizont schimmert die Silhouette der Gasplattform. Der Bau ist fast abgeschlossen. Im ersten Quartal 2024 soll die Gasförderung beginnen. Umgesetzt wird das Projekt unter der Federführung des britischen Energieriesen BP.
2,5 Millionen Tonnen Flüssiggas pro Jahr sollen anfangs produziert und mit Tankern exportiert werden. Später könnten es bis zu 10 Millionen Tonnen jährlich werden. Zum Vergleich: Katar als der weltweit größte Produzent von LNG produziert aktuell knapp 80 Millionen Tonnen pro Jahr. Es ist also ein vergleichsweise kleines Projekt – noch. Denn vor der Küste Senegals schlummern weitere Öl- und Gasvorkommen.
Senegal gilt als Vorzeige-Demokratie, als letzter Stabilitätsanker in der Sahelzone. Die Gasproduktion könnte die Situation vor Ort dramatisch verändern. Befürworter erhoffen sich wirtschaftliche Entwicklung, günstige Energie, Arbeitsplätze. Kritiker befürchten, dass das Land abdriftet in Korruption und Unsicherheit. Wie zuvor Nigeria, Angola und so viele andere Länder Afrikas, in denen fossile Ressourcen ausgebeutet werden.